Langsam, gemächlich, analog: Eine digitalisierte Bauwirtschaft scheint in Tschechien noch Zukunftsmusik zu sein. Baugenehmigungen zum Beispiel lassen hier oft auf sich warten: „Tschechien hat einen der langsamsten Genehmigungsprozesse in Europa“, berichtet der tschechische BIM-Manager Tomáš Dokoupil. Das bestätigt auch eine Studie der Weltbank aus dem Jahr 2020. Zur Dauer von Baugenehmigungen belegt das Land den 157. Platz von 190. Im Schnitt dauert eine Genehmigung hier demnach 246 Tage. Das hat sich laut BIM-Manager Dokoupil noch nicht gebessert: Bei größeren Projekten können sogar einige Jahre ins Land ziehen, bis alle Genehmigungen erteilt sind. An Überzeugung, BIM weiter voranzutreiben, fehlt es bei ihm und seinem Team jedoch nicht: „BIM hat ohne Zweifel eine große Zukunft vor sich, sein Einsatz wird in wenigen Jahren unvermeidbar sein. Für mich ist BIM die effizienteste und auch nachhaltigste Methode zur Bauplanung, deshalb würde ich gerne noch viel mehr Gebäudekomplexe mit diesen Methoden fertigstellen.“
BIMpressive Tschechien: Vorreiter auf einem traditionellen Markt
In Tschechien müssen Bauprojekte der Regierung ausgedruckt vorgelegt werden. Die Genehmigung kann dann mehrere Monate oder sogar Jahre dauern. Wie funktioniert digitale Gebäudeplanung unter diesen Umständen?
Ausdruck statt 3D-Modell
Bisher wird Digitalisierung in Unternehmen wie Xella von der tschechischen Regierung noch nicht belohnt: „Die Genehmigung der Projekte dauert nicht nur viel zu lange, sie muss den zuständigen Ämtern sogar ausgedruckt, also in Papierform vorgelegt werden“, erklärt Dokoupil. Für Unternehmen, die wie Xella seit Jahren mit digitaler Planung arbeiten, beflügelt diese Regel nicht gerade den Digitalisierungsprozess, weil es neben der digitalen immer auch eine analoge Variante geben muss. BIM steht für Building Information Modeling und meint eine moderne, datengetriebene Planungsmethode, bei der alle Beteiligten gemeinsam an einem einzigen 3D-Gebäudemodell arbeiten. Unter tschechischen Baustofflieferanten ist Xella Vorreiter in dieser fortschrittlichen Methode: Als einer von wenigen Anbietern für Baulösungen bietet Xella hier aktiv BIM-Services zur digitalen Gebäudeplanung für Bauunternehmer und andere Partner an. Doch weil die Kommunikation über 3D-Modellen noch nicht sehr verbreitet ist, nutzt Xella Czech Republic sie so gut wie nie im Austausch mit Auftraggebern: „Wir erstellen die BIM-Modelle in 99 Prozent der Fälle für uns selbst – es sind simple Modelle für den internen Gebrauch. Sie vereinfachen und beschleunigen unsere Prozesse und helfen uns bei der Angebotserstellung. Wir wären offen dafür, sie weiterzugeben, doch unseren Kunden reicht im Normalfall das finale Angebot.“
Wöchentlich sechs Stockwerke bauen
In der internen Anwendung erfüllen die 3D-Modelle in Tschechien ihren Zweck: Große Expertise für eine durchdachte Planung konnte Xella zuletzt beim Projekt „Skvrňany“ in Pilsen, Tschechiens viertgrößte Stadt, unter Beweis stellen: Nicht zuletzt durch eine fehlerfreie Vorbereitung wurden hier parallel sechs mehrstöckige Wohngebäude innerhalb weniger Monate errichtet. „Bis auf das Fundament hat der Bau von jedem Stockwerk nur eine Woche gedauert – bei sechs Gebäuden wurden also wöchentlich sechs Stockwerke auf einmal gebaut.“ An diesem beachtlichen Baupensum haben auch mehrere Mini-Kräne sowie passende großformatige Silka-Tempo-Steine mitgewirkt. Die Anlage mit 203 Wohnungen ist mittlerweile fertig zum Bezug.
Warten auf Gesetzesänderungen
Doch auch erfolgreiche und effiziente Projekte wie das Skvrňany benötigen in Tschechien eine Vorlaufzeit von mehreren Jahren. „Die Genehmigung der Bauprozesse ist aus meiner Sicht das größte Problem der tschechischen Bauindustrie“, findet Dokoupil. „Wir veranstalten Konferenzen und Events, um mehr über BIM und die Digitalisierung zu erfahren, lernen und nutzen 3D und 4D, aber wir können ein Projekt nicht einmal als Online-PDF-Datei an das zuständige Amt verschicken. In dieser Hinsicht sind wir also nicht nur einen, sondern sogar zwei Schritte im Rückstand.“
Wie kann unter diesen Umständen digital gearbeitet werden? Mit Gesetzesänderungen, die schon länger in Planung sind: „Unsere Regierung arbeitet an neuen Baugesetzen: Einerseits soll das Genehmigungsverfahren komplett reformiert und beschleunigt werden. Und ein weiteres Gesetz schreibt bald die Verwendung von BIM für öffentlich finanzierte Projekte vor.“ So ist es etwa in Dänemark schon seit Jahren Gang und Gäbe.
Beide Gesetze sollten eigentlich schon gültig sein, doch ihre Umsetzung wurde verschoben. BIM-Manager Dokoupil wartet geduldig: „Lieber kommt ein zu Ende gedachtes Gesetz als eines, das uns in der Realität vor Probleme stellt. Und ich denke, der Wandel wird ohnehin langsam vorangehen. Zumindest die BIM-Gesetzesneuerung betrifft nämlich nur öffentlich finanzierte Projekte – und das sind eher weniger Gebäude, sondern meist Straßen, Brücken oder Tunnel.“
HoloLens als Hoffnungsträger
Während die tschechische Gesetzgebung an Reformen arbeitet, konzentrieren sich Dokoupil und sein Team weiter auf interne Digitalisierungsschritte und machen eine weitere Innovation fertig zum Einsatz auf den tschechischen Xella-Baustellen: die HoloLens. Diese spezielle Brille erschafft ein Bild, das die reale Baustelle mit virtuell geplanten Bestandteilen mischt und damit die Planung der nächsten Schritte erleichtert. An anderen Standorten wie dem Nachbarland Deutschland wird sie von Xella bereits genutzt. „Ich bin zuversichtlich, dass wir 2023 ein passendes Pilotprojekt für die HoloLens finden“, sagt Dokoupil – denn er wartet nicht auf Gesetzesänderungen, sondern möchte Xella weiterhin einen digitalen Vorsprung unter den Baustofflieferanten am tschechischen Markt sichern.
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