Wie sieht es in der so genannten Betriebsphase aus?
Der größte CO2-Aufwand für ein Haus liegt nicht in der Produktion der Baustoffe oder in der Errichtung der Gebäude, sondern in der Bereitstellung von Energie. Das ist eines der wesentlichen Aufwendungen – innerhalb von 50 Jahren beanspruchen wir für ein einfachen Einfamilienhaus rund 200 Tonnen CO2. Ein Haus nach massiver Bauweise ist hier in der Lage, durch die Wärmespeicherfähigkeit Einiges besser zu machen als Holz. Zum Beispiel, weil die Heizperiode später startet und Holz stärker auf klimatische und Temperaturschwankungen reagiert.
In der Summe liegen wir bei zehn bis 15 Tonnen CO2 zugunsten des Massivhauses. Wir sehen also, dass hier ein großer CO2-Anteil aus der Produktionsphase ausgeglichen wird.
Wer schneidet in der Instandhaltungsphase am besten ab?
Hier geht es darum, ob und wie lange die verwendeten Produkte überleben. Da gibt es in den Konstruktionen ungefähr einen Unterschied in Höhe von zehn Tonnen CO2-Emissionen zuungunsten des Holzes. Das sind Faktoren wie beispielsweise der Einsatz von Farbe, der ja häufiger erneuert werden muss, Folien und andere Materialien.
Wie schlägt die Recyclingphase zu Buche?
Für die meisten Teile in einem Holzbau gibt es schlichtweg keine Möglichkeit der Wiederverwertung: Es wird verbrannt und am Ende des Lebenszykluses wird das über Jahrzehnte eingespeicherte Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Nun könnte man argumentieren, dass beim Verbrennen von Holz andere Energieträger wie Gas oder Heizöl verdrängt werden, aber da wir ja davon ausgehen, dass wir spätestens 2045 klimaneutral sind, kann ich ab diesem Zeitpunkt nichts mehr kompensieren, weil fossile Brennstoffe nicht mehr verwendet werden. Beim Porenbeton wollen wir alles wieder zurück in die Werke holen, zerkleinern und erneut in die Produktion einbringen.
Über den gesamten Lebenszyklus von 50 Jahren sehen wir in den beiden Bauweisen also in der CO2-Bilanz keinen nennenswerten Unterschied.
Es gibt also keinen Grund zu sagen, dass die Holzbauweise klimafreundlicher wäre. Am Ende haben wir den gleichen CO2-Footprint wie Porenbeton. Trotzdem sehen wir es als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, unseren Fußabdruck in der Produktionsphase zu verringern.
Welche Ansatzpunkte verfolgen Sie hier?
Die Arbeit daran fußt auf zahlreichen Maßnahmen und beginnt bei der Art, wie wir Dampf produzieren, welche Transportwege und -möglichkeiten wir nutzen, wie wir die Wasserwirtschaft innerhalb der Werke machen – Xella hat einen ehrgeizigen Fahrplan entwickelt, um seine CO2-Intensität im gesamten Unternehmen von 2019 bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. (Mehr dazu in unserem Nachhaltigkeitsbericht)
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für uns die Tatsache, dass unsere Produkte ja im gesamten Lebenszyklus CO2 aufnehmen und nie wieder abgeben – bei Porenbeton sind das 50 bis 70 Kilo, bei Kalksandstein sogar 70 bis 90 Kilo CO2 pro Kubikmeter. Bezogen auf das oben beschriebene Einfamilienhaus sind das noch einmal zwei Tonnen, die in die Rechnung einfließen müssten. Und: Wir verbrennen unseren Porenbeton ja nicht, sondern zermahlen und geben ihn zurück in die Produktion.
Der dritte Punkt ist ebenfalls wichtig, aber schwieriger in der Umsetzung: Wir verarbeiten zwei CO2-intensive Rohstoffe wie Kalk und Zement und setzen auch hier alles daran, den Footprint zu verringern. Aber auch hier gibt es einige spannende und erfolgversprechende Ansätze.
Wenn sich der Kunde für die Bauweise seines Hauses entscheidet, dann spielen über das Thema Nachhaltigkeit hinaus noch andere Faktoren eine Rolle.
Man muss es so deutlich sagen: Wer heute ein Haus kauft, fragt nach dem Preis und welche Vorteile er aus dem Gebäude zieht. In Europa betrachtet man ein Haus auch als Geldanlage und Teil eines Erbes. Heißt: Die Langlebigkeit im Massivbau hat hier ebenfalls einen großen Vorteil gegenüber dem Holzbau neben anderen wie Brandschutz, Katastrophenresistenz, klimatische Gegebenheiten.
Zum Abschluss: Was ist Ihre Vision von nachhaltigem Bauen?
Erstens: eine hohe Ressourceneffizienz – wenig der Natur entnehmen, möglichst mit natürlichen Ressourcen bewusst umgehen.
Zweitens: ein möglichst geringer Einfluss auf das Klima – und damit meine ich nicht nur den CO2-Footprint, sondern auch andere Faktoren wie die Bodenqualität usw.
Drittens: eine lange Lebensdauer. Was ich heute einbaue, da muss ich sicher sein können, dass ich nicht in zehn bis 15 Jahren anfangen muss, alles auszutauschen.
Viertens: die Kreislauffähigkeit des Produktes. Ziel muss es sein, dass alles, was produziert, auch zurückgenommen werden kann, so dass neue Produkte daraus entstehen. Unser Signal: Weder auf einer Baustelle sollte etwas weggeworfen werden noch in der Industrie selbst. Die Wegwerfgesellschaft ist vorbei.
Und fünftens: Es muss uns gelingen, dem Endkunden zu vermitteln, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet.
Vielen Dank für das Gespräch.