Marcin, was braucht man, um Lean Manager zu werden?
Lean Manufacturing heißt, Wertschöpfungsketten und Prozesse in den Fabriken effektiver zu gestalten – in kleinen Schritten, aber kontinuierlich und vor allem gemeinsam mit den Menschen, die dort arbeiten. Konkret arbeiten wir an der Sicherheitskultur: Wir wenden verschiedene Methoden an, auch aus dem Change Management, um zum Beispiel andere Gewohnheiten zu etablieren und die Ausführung der Arbeit in den Werken damit Stück für Stück sicherer zu machen.
Ich denke, für diesen Job sollte man etwas Lebenserfahrung mitbringen, denn man hat mit vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten zu tun – damit muss man umgehen können. Und natürlich auch die Ambition, den Ehrgeiz, Dinge zu verändern und geduldig zu sein. Ich mache meinen Job natürlich nicht allein, sondern mit irrsinniger Unterstützung von vielen Seiten. Es ist ein Gemeinschaftswerk. Am Ende des Tages sollte man die Vielfalt der Lean-Werkzeuge kennen und sicher anwenden können. Aber für die Größenordnung, wie wir sie in Polen haben, ist Erfahrung in der Produktion unabdingbar, genau wie die Lust am Reisen.
Was motiviert dich, jeden Tag zur Arbeit zu kommen?
Einerseits bin ich einfach ein Menschenfreund, ich habe gerne mit anderen Menschen zu tun. Das muss aus meiner Sicht auch so sein, um in meinem Job erfolgreich zu sein: Ich reise monatlich tausende Kilometer durch Polen und führe 150 bis 200 Gespräche mit den Beschäftigten in den Fabriken.
Andererseits mag ich das Praktische. Meine Partnerin lacht immer über mich und sagt, solange ich etwas nicht mit eigenen Augen gesehen habe , existiert es für mich nicht – damit hat sie zum Teil recht. Deshalb bin ich mit meiner Arbeit in der Fertigung genau richtig: Dort, wo ich Herstellungsprozesse sehe. Ich arbeite mit Menschen und Maschinen, anstatt mit Computern und Software.
Du hattest in den vergangenen Jahren verschiedene Jobs, warst zwischendurch selbstständig und hast auch an unterschiedlichen Orten in Deutschland gelebt. Bist du jemand, der oft Veränderungen braucht?
In meinen Zwanzigern war ich so jemand: Mir hat alles einfach Spaß gemacht und ich wollte alles kennenlernen. Seit meinen späteren Vierzigern sieht die Welt anders aus. Ich habe großartige Menschen und fantastische Firmen kennengelernt, viel bekommen und viele Menschen haben mich zum Nachdenken gebracht. Auch habe ich aus allerlei Erfahrungen viel gelernt. Heute bin ich dankbar für all die Möglichkeiten, die mir geboten wurden, denn ich durfte überall etwas Neues lernen. Ich glaube, mit den Jahren die Reife bringt eine Art Gelassenheit mit sich.
Was hast du bei Xella gelernt?
Bei Xella Polska habe ich gelernt, mit einem unglaublichen Ausmaß an Komplexität bedingt durch die Anzahl der Werke umzugehen. Denn normalerweise bekommt man als Lean Manager eine Fabrik zugeteilt. Ich kümmere mich um neun Fabriken, deren Abläufe ich mitgestalten darf. Es war immer mein Lebenstraum, in einer großen Organisation mit vielen Menschen möglichst viel zu verändern. Dass ich den hier arbeiten darf, gibt mir ein Gefühl von Demut und positiver Bescheidenheit – auch das hat mir Xella beigebracht.
Was sagt dir, dass du hier nun richtig bist?
Trotz neuer Gurus auf dem Markt, die uns erzählen, wer wir nicht alles sein könnten, sagt mir meine Lebenserfahrung: Ich kann nicht jeder sein und ich habe nicht zu allem Talent. Ich mag eben Menschen, mir macht die Arbeit mit ihnen Spaß. Ich weiß, dass meine Schulungen inhaltlich und zwischenmenschlich ankommen. Ich weiß, dass andere gerne mit mir umgehen. Wenn mir mein Job nicht läge, würde ich ihn nicht machen. Und ich liebe meine Arbeit. Wenn du glücklich sein willst, mach das, was du liebst. Das ist nichts Neues, das haben mir schon meine Urgroßeltern gesagt.
Du engagierst dich in deiner Freizeit ehrenamtlich in einer Obdachlosenküche und im Museum für die Geschichte der polnischen Juden. Wie ist es dazu gekommen?
Im Museum bereite ich verschiedene Ausstellungen und Aktionen vor, zum Beispiel findet einmal im Jahr eine Erinnerungsfeier zum Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto statt. Ich bin einer der mehreren Tausend Freiwilligen auf Polens Straßen, die zur Erinnerung an die Ermordeten gelbe Narzissen verteilen*. Meiner Meinung nach sollten uns die Geschehnisse von damals nicht lähmen oder denken lassen, der Mensch wäre schlecht. Aber ich finde, man sollte sich an bestimmte Sachen im konstruktiven Sinne erinnern. Nichts, was auf uns zukommt, fällt einfach vom Himmel herab. Wir haben Einfluss auf unsere Umwelt und können Gutes zu tun, um Gutes entstehen zu lassen. Daran glaube ich.
Mein Engagement für Obdachlose kommt daher, dass ein bekannter von mir in die Obdachlosigkeit abgeglitten ist – trotz guter Bildung und Position ist er nach Krankheit und Tod seines Ehepartners scheinbar haltlos durch alle sozialen Netze gefallen und auf der Straße gelandet. Es war erschütternd. Das hat mir vergegenwärtigt, dass wir alle zerbrechlich sind – deshalb will ich wenigstens einen kleinen Teil dagegen tun.
* Diese Erinnerungsaktion wurde ins Leben gerufen von Marek Edelman, dem letzten Anführer der Jüdischen Kampforganisation im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg legte er jährlich zum Jahrestag des Aufstandsbeginns am 19. April gelbe Blumen, meist Narzissen, am Warschauer Ghetto-Ehrenmal im Stadtteil Muranów nieder. Im Laufe der Jahre folgten immer mehr Menschen seinem Beispiel. Damit wurde die gelbe Narzisse zum Symbol des Respekts vor dem Aufstand und den Aufständischen sowie der Erinnerung an die Geschichte und der gemeinsamen Identität – unabhängig von Weltanschauungen und politischen Ansichten.