Was sind hier die Herausforderungen?
Echte Kreislaufwirtschaft kann nur aus dem funktionierenden Zusammenspiel von Technik, Markt und Recht funktionieren. Die Herausforderungen liegen hierbei weniger im technischen oder technologischen, sondern eher im rechtlichen Bereich. Die Baustoffindustrie ist nach wie vor von erheblichen (abfall-)rechtlichen Hemmnissen beeinträchtigt, z.B. was die Abfalleigenschaft von potentiellen Sekundärrohstoffen betrifft.
Zudem besteht marktseitig die Problematik, dass Baustoff- bzw. Bauprodukthersteller gar nicht von einer planbaren Verfügbarkeit von Abbruchmassen bzw. Sekundärrohstoffen ausgehen können. Das liegt vor allem an einer Datenlücke: Es bräuchte ein Kataster, in dem steht, wie viele Rohstoffe in dem jeweiligen Gebäude enthalten sind, wie alt das Gebäude ist und wann die Rohstoffe in den Kreislauf zurückgegeben werden könnten.
Wie lässt sich das lösen?
Neben dem Gebäudeenergiegesetz gibt es die Idee eines Ressourcengesetzes kombiniert mit der Pflicht, Daten von Bauprojekten in ein Kataster auch einzuspeisen. Dabei könnten digitale Lösungen wie BIM eine wichtige Rolle spielen. Denn dort, in der digitalen Planung von Projekten, sollen ja alle über den Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg erforderlichen Daten und Informationen ohnehin erfasst werden.
Was wird die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit beim Bauen in den kommenden Jahren antreiben?
Es wird sich etwas tun, weil sich etwas tun muss. Die Aufgaben der neuen Regierung liegen auf dem Tisch: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Ressourceneffizienz, Gebäuderessourcengesetz.
Auf EU-Ebene kommt die EU-Taxonomie als treibender Faktor hinzu: In den Bewertungskriterien für nachhaltige Investments und Wirtschaftsaktivitäten wird der Gebäudesektor explizit adressiert – mit konkreten technischen Bewertungskriterien, bei denen auch die Ressourceneffizienz und der Umgang mit Bauabfällen aus Rückbauvorhaben eine Rolle spielen. Für alle, die sich nach der EU-Taxonomie „bewerten“ lassen müssen, d.h. bestimmten Offenlegungspflichten unterliegen, ist das Thema Kreislaufwirtschaft auf jeden Fall unmittelbar relevant.
Worauf kommt es bei der Bewertung an?
Für die CO2-Bilanz von Gebäuden ist es entscheidend, den gesamten Lebenszyklus der unterschiedlichen Bauweisen zu betrachten, normkonform zu bilanzieren und die Ergebnisse extern zu verifizieren. Über die Lebensdauer betrachtet ist der CO2-Ausstoß z.B. von Holz- und Porenbeton-Bauweise ungefähr gleich groß, das haben wir ja in der gemeinsamen Studie mit der Xella T&F berechnet. Entscheidend für den CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus ist derzeit nicht die Bauweise, sondern die energetische Qualität eines Gebäudes und wie die Energieversorgung in der Nutzungsphase erfolgt.
Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Ressourcen, beispielsweise von Holz?
Schon heute ist Deutschland per Saldo auf Holz-Importe angewiesen und daran wird sich auch künftig in realistischen Szenarien nicht viel ändern. In einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020 wird z.B. herausgearbeitet, dass das für den Baubereich derzeit noch entscheidende Nadelholzpotential zur Abdeckung der inländischen Holzverwendung zu gering ist und sein wird, insofern ein Importbedarf bestehen bleiben wird.
Könnte man sagen: Schon allein deshalb muss die Kreislaufwirtschaft noch stärker ausgebaut werden?
Nicht nur bei Holz, bei allen Rohstoffen gibt es hier Herausforderungen, die langfristig gelöst werden müssen. Der Klimawandel führt dazu, dass nachwachsende Rohstoffe umgestaltet werden müssen. So müssen unsere Wälder robuster werden, insbesondere Monokulturen sind hier ein Problem. Bei mineralischen Rohstoffen sind weniger die Rohstoffvorkommen als vielmehr die Konkurrenz um die Flächen möglicher Abbaugebiete das Thema.
Sprich: Wir müssen jetzt geschlossene Kreisläufe aufbauen – und mit Blick auf die kommenden Generationen!
Worauf kommt es unter dem Aspekt Kreislaufwirtschaft bei der Analyse und Bewertung von Bauweisen an?
Auch hier gilt: Es kommt auf die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus an. Und: Die Anforderungen an Bauteile und Gebäude müssen die Bau- und Konstruktionsweise bestimmen, und nicht umgekehrt. Es kann nicht sein, dass bestimmte Baustoffe und Bauweisen politisch gefördert und subventioniert werden, nur des Baustoffs willens.
Beim Endverbraucher ist das Thema Nachhaltigkeit bisher nur selten ein echtes Verkaufsargument. Verändert sich das aus Ihrer Wahrnehmung?
Natürlich spielt Kosteneffizienz in vielen Fällen immer noch eine wichtige Rolle. Ich beobachte aber, dass vor allem bei gewerblichen Immobilien die Nachhaltigkeit eines Gebäudes bzw. eine fehlende Nachhaltigkeitsqualität mittlerweile zu einer „Red Flag“ geworden ist. Wer das nicht leisten kann, hat es schwerer in Vermarktungsprozessen.
Wie realistisch ist ein Nullemissionshaus?
Das lässt sich grundsätzlich schon heute bauen. Es kommt auf den Dreiklang an. Das Gebäude muss zusammen mit seinem Grundstück und seinen Dachflächen und Flächen im Außenraum gedacht werden. Wie viel Energie kann ich selbst erzeugen? Was kann ich außerdem tun, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen – Stichwort Wärmeschutz, Effizienz technischer Anlagen und Möglichkeiten zur Einbindung erneuerbarer Energieträger. Und dann kommt es am Ende natürlich auch auf Faktoren wie das Nutzungsverhalten an.
Vielen Dank für das Gespräch!