Herr Noll, die Energiepreise steigen weiter. Auch deshalb wird das Thema Energieeffizienz für private Haushalte, Immobilienbesitzer und Unternehmen wie Xella wichtiger. Eine Umfrage im Auftrag der DENEFF ergab, dass sich deutsche Bürgerinnen und Bürger von der Politik ein deutlich beherzteres Vorgehen für den Klimaschutz im Gebäudesektor wünschen. Was wünscht sich die DENEFF?
Wir teilen diese Sicht. Energieeffizienz ist der Schlüssel zu effektivem Klimaschutz, zu bezahlbarer Energie und zu Gebäuden mit hoher Lebensqualität. Aber wir brauchen jetzt beherzte Entscheidungen, denn in Deutschland hinken wir unseren eigenen Klimazielen noch weit hinterher. Deshalb erwarten wir von der künftigen Regierung eine verbindliche Energieeffizienz-Strategie, auch um Klimaschutz und Digitalisierung beim Bauen und Wohnen voranzutreiben. Um dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045 näherzukommen, müssen jetzt verlässliche Anreize gesetzt werden.
Was meinen Sie konkret?
Die neue Regierung muss Energie-Mindeststandards für bestehende Gebäude mit besonders hohem Verbrauch setzen. Wichtig sind begleitende ausreichende Förderangebote für zukunftsfähige Gebäude für alle, egal ob für private oder gewerbliche Immobilienbesitzer. Außerdem sollte sie ihre Förderung stärker an den Einsparergebnissen ausrichten. Allein durch diese drei Maßnahmen könnten im Jahr 2030 mehr als 20 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Die Maßnahmen sollten über die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung finanziert werden.
Schränken staatliche Vorgaben die Handlungsfreiheit klima-innovativer Branchen wie der Bauindustrie nicht zu stark ein?
Es kommt auf das „wie“ an: Durch kluge Standards gewinnen Unternehmen auch Planungssicherheit. Schon jetzt sind viele deutsche und europäische Unternehmen weltweit führend bei technischen Lösungen für mehr Energieeffizienz. Die mit diesem Angebot generierte Nachfrage erhöht sie schon jetzt die Wertschöpfung in Deutschland und Europa. Studien zeigen, dass bereits heute 600.000 Menschen in diesem Bereich in Deutschland arbeiten. Sinnvolle Regulierung ist die ideale Verbindung von effektivem Klimaschutz, heimischer Wertschöpfung und neuen, nachhaltigen Jobs - auch in der Baubranche.
Beim Klimaschutz wird um das Thema Technologieneutralität gerungen. Dieser Ansatz, keine Technologie per se einer anderen vorzuziehen, ist umstritten. Kritiker argumentieren, besonders klimaneutrale Technologien rund ums Bauen sollten bevorzugt gefördert werden, um sie am Markt zu etablieren. Was erwartet die DENEFF von der Ordnungs- und Förderpolitik in den kommenden Jahren?
Wir müssen weg von dem Kleinklein, einzelne Technologien zu fördern oder diese vorzuschreiben. Auch in der Baubranche gilt, dass klimaneutrale Innovationen dann entwickelt werden, wenn ihre Forscherinnen und Forscher in alle Richtungen denken können.
Die DENEFF hat vor der Wahl einen Maßnahmenkatalog für die Klima- und Energiepolitik der kommenden Jahre vorgelegt. Wie kann Xella sich dort noch mehr als bisher einbringen?
Wir sind sehr froh, dass sich die Experten von Xella schon seit vielen Jahren bei uns engagieren. Spannende Innovationen wie etwa Digital Twins, bei denen sämtliche Bauschritte noch vor Beginn simuliert werden können, sind für alle unsere Mitglieder interessant. Xella will hier „analoge“ Baustoffe mit digitalen Services verbinden, um Ressourcen zu schonen und die Kunden von Kosten zu entlasten. Dieser Ansatz ist in vielen Industrien sinnvoll. Und mit Leuchtturmprojekten wie dem Vario Wohnen in Kassel setzt Xella ebenfalls Impulse für die gesamte Branche.
Sie reden von dem Bauprojekt mit 41 Mehrzimmerwohnungen für Studierende und Auszubildende im neuen Kasseler Martini-Quartier, einem alten Brauereigelände. Dank barrierefreier und altengerechter Ausfertigung ist der Komplex zukünftig flexibel einsetzbar.
Klar, auch der Aspekt des seriellen Bauens mit einem modularen System ist spannend. Dieses Bauen mit industriell vorgefertigten Teilen spart nicht nur Kosten und Bauzeit, sondern auch Ressourcen.
Brauchen wir neue Förderprogramme oder Regulierungen für mehr Klimaschutz beim Bauen, Dämmen und Renovieren?
Wir brauchen nicht mehr Regulierungen, sondern smartere.
Das müssen Sie erklären.
Deutschland fördert die für die CO2-Reduktion wichtige energetische Modernisierung in diesem Jahr mit der Rekordsumme von 18 Milliarden Euro. Auch auf EU-Ebene werden viele Maßnahmen zur Energieeffizienz gefördert. In anderen Staaten sieht es bei der CO2-Reduktion durch energieeffizienteres Bauen oder Renovieren noch nicht so gut aus.
Um den Klimaschutz voranzutreiben, müssen neue Energiespar-Standards und Fördermittel klug kombiniert werden. Beispielsweise hat die EU-Kommission eine große Renovierungswelle von älterem Immobilienbestand angekündigt. Darin liegt ein enormes Energiesparpotenzial für die Zukunft. Aber die EU ist noch nicht so weit wie die Unternehmen. Dabei könnte gerade Brüssel gemeinsame Rahmenbedingungen für alle Länder in Europa schaffen und so für mehr Klimaschutz sorgen. Das ist so wichtig, weil Energieeffizienz der Königsweg zur CO2-Reduktion ist.
Sie macht Verbraucher, Immobilienbesitzer und Unternehmen gleichermaßen resilienter gegen neue Energiepreisschocks.